Urteilstenor Gericht und Aktenzeichen
Anmietung zum Unfallersatztarif gerechtfertigt OLG Thüringen vom 02. 03. 2005
4 U 328/04

Auszug aus dem Urteil:

 

 

4 U 328/04

6 O 1064/02                                                                                      Verkündet am:

(Landgericht Gera)                                                                             02.03.2005

 

Thüringer Oberlandesgericht

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In dem Rechtsstreit:

1. .......................................................

 

2.

   - Beklagte, 1. Berufungsklägerinnen und Berufungsbeklagte -

 

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ………

 

                                                                       gegen

 

-         Kläger, 2. Berufungskläger und Berufungsbeklagter –

 

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt ……..

 

 

 

-         Drittwiderbeklagte 1. Instanz –

 

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin …….

 

 

Hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

           

            Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller,

            Richterin am Oberlandesgericht Billig und

            Richterin am Landgericht Lossin-Weimer

 

Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2005

 

für Recht erkannt:

 

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 15.03.2004,

Az.  6 O 1064/02 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

 

Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.563,83 € nebst Zinsen in Höhe von 12,7 % aus 4.139,59 € vom 17.12.2001 bis 06.06.2003 und aus 1.431,61 € seit 7.6.2003 sowie Zinsen i.H.v. 5% über dem Basiszinssatz aus 332,00 € seit 7.6.2003 zu zahlen.                                                           

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 

Seite 3

 

Seite 4

 

Seite 5

 

Seite 6, 2. Absatz

 

Hinsichtlich der Mietwagenkosten hält der Senat in Übereinstimmung mit der zur Zeit wohl h.M. in der Rechtssprechung (vgl. Palandt-Heinrichs, 64. Aufl., Rn. 32 zu § 249 BGB; OLG Düsseldorf, VersR 1996, 987; OLG Hamm, VersR 2001, 206-208) den vom Landgericht vorgenommenen Abzug von 10% der Kosten wegen ersparter Eigenaufwendungen für gerechtfertigt. Es lässt sich anhand der vom Kläger vorgelegten Fahrzeugunterlagen nicht feststellen, dass es sich bei dem angemieteten Ersatzfahrzeug der Marke Opel Zafira um einen gegenüber dem Unfallwagen gruppenniedrigeren PKW handelt. Nach der Tabelle zum Nutzungsausfall von Sanden/Dannen/Küppersbusch sind beide Fahrzeuge (als Neuwagen) der gleichen Klasse zuzuordnen, sofern das Unfallfahrzeug keine ganz herausgehoben Sonderausstattungen hatte, was nicht vorgetragen ist.

 

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind nach Ansicht des Senats auch die im eigentlichen Tarif nicht enthaltenen Kosten für Zustellung und Abholung des Wagens sowie die jahreszeitlich angemessene Winterausrüstung erstattungsfähig. Dass die diesen Rechnungspositionen zugrunde liegenden Leistungen erbracht worden sind und auch erforderlich waren, haben die Beklagten nicht substantiiert bestritten. Ausweislich des Vorbringens in der Berufungsbegründung hat der Autovermieter den Mietwagen zur Reparaturfirma in Kahla verbracht und dort nach erfolgter Reparatur des klägerischen Fahrzeugs auch wieder abgeholt, weshalb die entsprechenden Kosten berechtigt sind.

 

Ein weiterer Abzug unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht erscheint dem Senat aus den Gründen des angegriffenen Urteils ebenso wenig gerechtfertigt, wie die Erstattung der Mietwagenkosten (nur) Zug-um-Zug gegen mögliche Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Autovermieter.

 

Der Senat geht davon aus, dass der Geschädigte regelmäßig nicht gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht (§ 265 Abs. 2 BGB) verstößt, wenn er das Ersatzfahrzeug im Rahmen eines sogenannten Unfallersatztarifs anmietet, weil dieser z.B. hinsichtlich der Abrechnung mit dem Mietwagenunternehmen erhebliche Vorteile für den Geschädigten bietet (so auch BGH NJW 1999, 279; BGH NJW 1996, 1965). Durch die Vorlage einer Mietwagenvergleichsliste (vgl. Bl. 90/Bd. I d.A.) hat sowohl der Autovermieter seinen Aufklärungspflichten gegenüber dem Kunden, als auch der Kläger seiner Pflicht zur Schadensminderung Genüge getan. Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, für den Kläger habe in dieser Situation keine Veranlassung bestanden, weitergehende Nachforschungen über die Möglichkeit einer günstigeren Anmietung bei anderen Anbietern anzustellen. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers ist insofern nicht hinreichend dargetan, als die Beklagten sich zwar darauf berufen haben, der vereinbarte Tarif sei überdurchschnittlich; es fehlt aber an konkretem Vortrag, wo genau der Kläger einen günstigeren Tarif hätte erzielen können.

  

Zu berücksichtigen ist zudem – worauf schon das Landgericht hingewiesen hat – die besondere Situation des im eher ländlichen Bereich wohnenden Klägers, dem keine unbegrenzte Vielzahl an Autovermietern zur Verfügung stand, um seinen durch den streitgegenständlichen Unfall verursachten Bedarf an einem Ersatzfahrzeug kurzfristig decken zu können.

 

Der erstattungsfähige Schaden berechnet sich demnach wie folgt:

-Selbstbeteiligung (100%)                                                                   332,00 €

-Ersatzfahrzeug (70%)

            2.651,00 DM ./. 265,10 DM = 2.385,90 DM Mietwagen

                                                                369,00 DM Haftungsbeschränkung

                                                                125,00 DM Zustellung/Abholung

                                                                  45,00 DM Winterausrüstung

                                                             2.924,90 DM

                             zzgl. 16% Mwst  =  3.392,88 DM  =  1.734,75 €

                                                                                         davon 70% =    1.214,33 €

-Nebenkostenpauschale (70% von 25,00 €)                                                     17,50 €

das ergibt einen insgesamt dem Kläger zu ersetzenden Schaden v.          1.563,83 €

 

Die Ersatzpflicht der Beklagten erstreckt sich entgegen der Ansicht des Landgerichts auch auf die als Zinsschaden geltend gemachten Finanzierungskosten, soweit diese den entsprechend der o.g. Quote insgesamt erstattungsfähigen Schaden nicht überschreiten (d.h. i.H.v. 70 % der Reparatur- und Sachverständigenkosten – 2.907,76 €, der Kosten des Ersatzfahrzeugs – 1.214,33 € sowie der Nebenkostenpauschale – 17,50 € = 4.139,59 €). Der Kläger durfte den Kredit vom 17./19.12.2001 (vgl. Bl. 87 f/Bd. I d.A.) in Anspruch nehmen, weil er die infolge des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls angefallenen Kosten nicht aus eigenen Mitteln aufbringen konnte. Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, zur Deckung seines Unfallschadens seine Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Dass der Kläger im Verlaufe des Verfahrens seinen Schaden doch bei seinem Vollkaskoversicherer geltend gemacht hat, kann ihm nicht als Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht angerechnet werden. Der Kreditvertrag war nämlich befristet. Nach dem Vortrag des Klägers war dieser zur Rückzahlung des Kredits nicht in der Lage, so dass er sich angesichts der ausstehenden Regulierung seines Schadens durch die Beklagte zu 2) dazu entschloss, nunmehr seine Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Da grundsätzlich der Schädiger das sogenannte „Prognoserisiko“ dafür trägt, dass sich getätigte Aufwendungen des Geschädigten im Nachhinein als vergeblich erwiesen, haben die Beklagten vorliegend auch die von dem Kläger geltend gemachten Finanzierungskosten zu ersetzen. Es kann nämlich aus Sicht eines vernünftig handelnden Geschädigten nicht beanstandet werden, wenn dieser – da er von dem überwiegenden Verschulden der Beklagten zu 1) an dem Unfall ausgehen konnte – zunächst von der Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung absieht und versucht, seine Kosten durch den Abschluss eines Kreditvertrages kurzfristig zu decken. Die lange Verfahrensdauer und die mangelnde Regulierungsbereitschaft der Beklagten zu 2) kann dem Kläger dagegen nicht angelastet werden, so dass die Beklagten auch diese Kosten zu tragen haben.

 

Der darüber hinausgehende Zinsanspruch rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges.

 

Der Ausspruch zu vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in

§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.                                                                             

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