Urteilstenor Gericht und Aktenzeichen
Anmietung zum Unfallersatztarif ist rechtens. Der Geschädigte muss keine Marktforschung betreiben. Der Autovermieter ist frei in seiner Preisgrundlage. AG Nürnberg
vom 09.02.05
31 C 7470/04

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagten aus den §§ 7 I, 18, I StVG, § 3 Nr. 1 PflVG Ansprüche auf Ausgleich des ihr durch den Verkehrsunfall entstandenen Schadens auch hinsichtlich der streitgegenständlichen Mietwagenkosten zu.

 

Nach Rechtssprechung des BGH ist der Geschädigte unter mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten gehalten, diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert (Wirtschaftlichkeitspostulat).

Unter diesem Gesichtspunkt hat er in den Entscheidungen vom 12.10.2004 (NJW 2005, 51) und 26.10.2004 (Akz. VI ZR 300/03) entschieden, dass eine Anmietung zum Unfallersatztarif nur insoweit den erforderlichen Aufwand zur Schadensbeseitigung darstelle, als die Besonderheiten dieses Tarifes mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen.

 

Das Gericht kann dieser Betrachtungsweise sowohl aus praktischen als auch aus dogmatischen Gründen nicht zustimmen.

 

Generell steht die Verankerung des Wirtschaftlichkeitspostulates in § 249 BGB in der Kritik. Sie ist im Hinblick auf die Regelung der §§ 251 II und 254 II BGB systematisch fragwürdig (vgl. stellvertretend

Münchener Kommentar Oetker, 4.Auflage 2003, § 249, Rn 362).

 

Nach dieser Rechtsprechung  beschränkt sich der Schadensersatz auf solche Maßnahmen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. (vgl. BGH Z 115, 364, 369). Bei dieser Betrachtungsweise kann eine betriebswirtschaftliche Rechtfertigung der Tarife nicht entscheidend sein. Dies ergibt sich daraus, dass eine entsprechende betriebswirtschaftliche Rechtfertigung für keine verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zum Zeitpunkt der Anmietung erkennbar ist. Sie kann deshalb auch unter Berücksichtigung des vom BGH aufgestellten Wirtschaftlichkeitspostulats im Rahmen von § 249 BGB jedenfalls nicht zum Tragen kommen und dem Geschädigten insoweit nicht entgegengesetzt werden.

 

Des Weiteren ist die entsprechende Sichtweise des BGH auch aus praktischen Gründen nicht nachvollziehbar. Der BGH hat sich nicht dazu geäußert, inwiefern im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung die zulässige Gewinnspanne des Unternehmens anzusetzen ist. Da entsprechende Gewinnspannen nicht gesetzlich reglementiert sind, kann nicht einfach auf eine durchschnittliche Gewinnspanne abgestellt werden. Von daher scheint es auch mit sachverständiger Hilfe nicht möglich, eine betriebswirtschaftliche Rechtfertigung eines Tarifes festzustellen. Es ist unklar, welche Gewinnmargen den Anbietern zugestanden werden und im Übrigen ist es nicht möglich, diese ohne gesetzliche Grundlage zu reglementieren. Im System der freien Marktwirtschaft kann jeder Unternehmer grundsätzlich seinen Preis am Markt verlangen.

 

3. Entscheidend ist demnach, ob dem Geschädigten eine Schadensminderungspflichtverletzung nach § 254 BGB anzulasten ist. Hierauf stellt auch der BGH ab, wenn er im übrigen fragt, ob dem Geschädigten ein günstigerer Tarif zugänglich war (s.a. OLG Nürnberg, 8 U 2242/04 vom 20.01.2005)

Der Geschädigte ist nach der Rechtssprechung des BGH weiterhin nicht gehalten, bei Mietverhältnissen von kurzer Dauer bzw. bei Mietverhältnissen ohne beträchtliche Mietwagenkosten eine Marktforschung

durchzuführen (vgl. BGH NJW 1996, 1958, 1959). Allein das Anmieten zum Unfallersatztarif kann dem Geschädigten insoweit nicht angelastet werden. Der für den Geschädigten in zumutbarer Weise zugängliche Markt besteht regelmäßig aus Unfallersatzwagentarifen (vgl. Münchener Kommentar – Oetker a. a. O. Rn 403, OLG Nürnberg, 8 U 2242/04 20.01.2005).

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