Urteilstenor Gericht und Aktenzeichen
Restwert nach Autoschäden darf nicht abgezogen werden! BGH (Bundesgerichtshof) VI ZR 393/02, 29.04.2003

Bundesgerichtshof Gericht stärkt Rechte der Unfallopfer gegenüber den Versicherungen der Verursacher:

Selbst reparieren und trotzdem kassieren! Restwert nach Autoschäden darf nicht abgezogen werden!
Versicherungen, die nach einem Verkehrsunfall Reparaturkosten für ein Auto zu erstatten haben, müssen dies bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes tun. Der Restwert des Autos darf bei der Schadensberechnung nicht abgezogen werden, so lange die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Unfallwagens nicht übersteigen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch in Karlsruhe veröffentlichten Urteil entschied. (AZ: VI ZR 393/02) Fiktive Reparaturkosten sind jedenfalls bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes zu erstatten. Wer ein Fahrzeug beschädigt hat, muss auch dann die Kosten für eine fachgerechte Reparatur ersetzen, wenn der Geschädigte auf eine Reparatur verzichtet oder diese selbst durchgeführt hat. Der Anspruch auf Ersatz derartiger fiktiver Reparaturkosten besteht jedenfalls bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes (ohne Abzug des Restwertes). Hat der Geschädigte das Fahrzeug selbst repariert, besteht der Anspruch unabhängig davon, ob die eigenhändige Reparatur fachgerecht war.
Der Sachverhalt:
Das Fahrzeug des Klägers war bei einem Unfall beschädigt worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte es einen Wiederbeschaffungswert von 15.340 Euro. Ein Sachverständiger schätzte die Kosten der erforderlichen Reparatur auf 12.300 Euro. Der Kläger reparierte das Fahrzeug selbst und verlangte von der beklagten Versicherung des Unfallverursachers die Zahlung von 12.300 Euro. Die Versicherung weigerte sich, diese Summe zu zahlen. Die Reparatur des Klägers sei nicht fachgerecht gewesen. Außerdem dürften die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes nicht übersteigen. Die daraufhin erhobene Zahlungsklage hatte in allen Instanzen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 12.300 Euro. Für den Ersatz der fiktiven Reparaturkosten kommt es bei einer Reparatur durch den Geschädigten nicht darauf an, ob diese fachgerecht ausgeführt wurde.
Es ist umstritten, bis zu welcher Höhe der Geschädigte Ersatz der Reparaturkosten verlangen kann. Die überwiegende Zahl der Gerichte spricht Reparaturkosten lediglich bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes zu. Für eine darüber hinausgehende Inanspruchnahme des Schädigers müsse der Geschädigte das Fahrzeug zum Zweck der Weiterbenutzung fachgerecht instandsetzen. Die Gegenmeinung billigt dem Geschädigten Reparaturkostenersatz bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes ohne Abzug des Restwertes zu. Der BGH schließt sich dieser Auffassung an. Der Restwert muss daher bei der Schadensberechnung jedenfalls dann unberücksichtigt bleiben, wenn - wie im Streitfall - die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen.
Der BGH beendete damit eine uneinheitliche Rechtsprechung der unteren Gerichte, die teilweise beim Ersatz "fiktiver" Reparaturkosten größere Abzüge vorgenommen hatten.
Damit sind Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes zu ersetzen, unabhängig davon, ob der Schaden in einer Werkstatt behoben wird oder nicht. Auch bei Abrechnung fiktiver Reparaturkosten kann nicht ein abstrakter Mittelwert, z. B. die von der DEKRA ermittelten mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätze, Grundlage für die Berechnung der im konkreten Schadensfall erforderlichen Reparaturkosten sein. Vielmehr ist die Entscheidung des Geschädigten, sein Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren zu lassen, als wirtschaftlich vernünftiges Verhalten hinzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte das Fahrzeug wie hier unrepariert weiterveräußert (BGH, Urt. v. 29.4.2003 - VI ZR 398/02). Repariert der Geschädigte das Fahrzeug in Eigenregie, so hat er Anspruch auf Reparaturkostenersatz bis zu Höhe des üblichen Wiederbeschaffungswerts unter Ausklammerung des Restwerts. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeugs nicht übersteigen.

Der Aussage, "Die Deutschen sind ein Volk von Autoreparateuren", maß die Vorsitzende Richterin Gerda Müller dem Fall in der Verhandlung weitreichende Bedeutung zu. (Az.: VI ZR 393/02)

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